So mache ich mich etwas spaeter als ueblich, so gegen 8:30 Uhr, auf den Weg durch's laendliche Kanada.
Der Himmel aendert allerdings schon sehr bald seine Farbe. Sieht ein wenig bedrohlich aus, aber ich will unbedingt die Niagarafaelle sehen. Also kehre ich nicht um, sondern trete etwas kraeftiger in die Pedale.
Auf dem Weg ueberquere ich einen kleinen Fluss mit einer Faehre. Der Faehrmann meint, eigentlich sollten sie gar nicht mehr fahren, das Gewitter ist zu nahe und so ein Boot auf dem Fluss ist doch recht anziehend - im wahrsten Sinne des Wortes - fuer Blitze. Die Ueberfahrt dauert aber weniger als eine Minute, und ich vertraue mal auf meinen Schutzengel. Was ja auch klappt.
Auf der anderen Seite treffe ich eine Gruppe Radler, wie von Evan schon angekuendigt. Der Regen holt uns ein, die Gruppe sucht Schutz unter den Baeumen.
Ich bin nicht sicher, ob das bei einem nahen Gewitter so eine gute Idee ist und versuche, Abstand zu halten. Das Gewitter zieht aber knapp an uns vorbei, und der Regen hoert nach fuenf Minuten auch wieder auf. So radeln wir doch wieder gut gelaunt los - ich auf dem Weg nach Niagara Falls, die anderen auf einer Rundtour zum Lake Erie und zurueck. Die ersten paar Meilen fahren wir dabei zusammen.
Mit meinen breiten Reifen kann ich das Tempo zwar mithalten, brauche aber mehr Kraft als die anderen. Auf mein hoeheres Gewicht kann ich mich zumindest gegenueber Steve, dem Mann im blauen Trikot, nicht berufen...
Nach ein paar Meilen trennen sich unsere Wege. Schade eigentlich, die Rundtour waere auch nett gewesen, aber der Zeitplan erlaubt mir das nicht. Ein kleiner Nachteil, wenn man couchsurft: man verliert seine zeitliche Flexibilitaet etwas.
QEW ist der Queen Elizabeth Way. Das lustige hier ist das Symbol, mit dem die Kanadier ihre Bundesautobahnen kennzeichnen - seht ihr die Krone?
Den ganzen Erie Canal runter sehe ich dies: Schwaerme von Wildgaensen. Nett und manchmal lustig, allerdings verkacken (sorry) sie den ganzen Trail so, dass man dort streckenweise wirklich nicht zu Fuss laufen will.
Jo, da will ich hin. Kurz und praegnant.
Chemiewerk direkt an den Wasserfaellen? Nein, das ist die Gischt der Wasserfaelle. Die ist so stark, dass sich daraus richtige Wolken bilden.
Wenn man sich, wie ich, von oben naehert, sieht die Sache zunaechst eher unspektakulaer aus.
Dafuer hat Niagara Falls eines der architektonisch aufwaendigsten Wasserwerke, das ich je gesehen habe. Koennte auch eine Universitaet oder gar ein Schloss sein, war aber von Anfang an als Wasserwerk geplant.
Keine Ahnung, wie lange das Boot da schon liegt, es war aber wohl eine gute Idee, es auf Grund zu setzen anstatt ueber die Kante treiben zu lassen, die nur noch ein paar Dutzend Meter weg ist.
Das sieht man, wenn man sich umdreht: Hotelkloetze. Die kanadische Seite ist hier doch schon arg touristisch. Klar, die Wasserfaelle sind interessant. Aber soviel geben sie nun auch nicht her, dass man hier einen zweiwoechigen Urlaub machen wollen wuerde. Mir reicht ein Tag. Und extrem teuer sind sie noch dazu.
Ach ja - das Beweisbild, dass ich und mein Fahrrad wirklich da waren - immer noch "oben".
Die Grenze zwischen USA und Kanada verlaeuft in der Mitte des Flusses. Bei den Faellen gibt es allerdings eine Insel, bei der die Grenze am Ufer verlaeuft. Deshalb liegt der spektakulaere Teil der Niagarafaelle, der Horseshoe Fall, komplett in Kanada.
Der amerikanische Teil der Faelle wirkt dagegen vergleichsweise mickrig. Er kriegt auch keine Wolke hin.
Ueber die Bruecke im Hintergrund werde ich uebrigens morgen zurueck in die USA reisen. Die ist fuer Radfahrer und Fussgaenger naemlich geoeffnet. Ob es hier keinen 9/11 und keine Selbstmoerder gibt?
Eine ganze Menge Touristen trotzen der Gischt.
Man kann mit Booten, die alle "Maid of the Mist" heissen, ziemlich nahe an die kanadischen Faelle ranfahren. Nach diesem Foto habe ich darauf allerdings verzichtet, das war mir doch ein wenig zu sardinenartig gedraengt. Und wenn man Pech hat und auf der Backbordseite steht, sieht man auch fast nichts.
Da entscheide ich mich doch lieber fuer den "Journey behind the Falls". Mit einem Aufzug mitten im Fels faehrt man auf halbe Hoehe der Wasserfaelle hinunter. Die Aussichtsplattform ist dann schon sehr nahe am Wasser. Da wird's dann erstmals auch so richtig laut.
Und durch einen Tunnel geht's dann weiter, ...
... wirklich direkt hinter die Faelle. Ich widerstehe der Versuchung, da rauszuspringen.
Wieder oben angekommen, treffe ich auf einen Fernradler-Kollegen. Macht immer wieder Spass, ein bisschen fachzusimpeln und Erfahrungen auszutauschen.
Die Sonne steht guenstig - Regenbogen in der Gischt!
Stuntzi als Tourist. Er ist so beeindruckt, dass es ihm die Stimme verschlaegt. Naja, viel geredet hat er ja noch nie.
Und das ist dann der klassische Touristen-Schnappschuss wie aus dem Hochglanzprospekt.
Ich freue mich. Und werde dabei fotografiert.
Die Kanadier uebertreiben das aber in dieser Hinsicht doch ein wenig. Das ist Clifton Hill - war mal eine ganz normale Strassse. Jetzt ist es eine Mischung aus Las Vegas und Oktoberfest, einschliesslich Geisterbahn, Wachsfigurenkabinett und Riesenrad.
Und einem Haus, das mit aller Gewalt Aufmerksamkeit erregen will:
Genug gesehen. Ich esse noch zu Mittag - durchaus gut, aber zu Touristenpreisen, und mache mich auf den Rueckweg. Diese Baustelle fotografiere ich, weil man ganz schoen sieht, wie auch die Kanadier hier ihre Haeuser bauen: ein Holzgeruest mit Pressspanplatten dran.
Aehm - 1812 plus 200 Jahre ergibt doch gleich wieder welches Jahr? Merke: Nullen am Ende einer Zahl sind wichtig.
Um sechs Uhr bin ich wieder bei meinen Hosts. Interessanter Tag, der mit einem guten Abendessen und viel Reisegeschichten-Erzaehlen ausklingt. Evan und Suzette waren schon an sehr viel Flecken auf dieser Welt, und sie haben viel zu berichten. Ich kann eh erst schlafen gehen, wenn's ein bisschen abgekuehlt hat - eine Klimaanlage hat ihr Haus naemlich nicht. Aber ich beschwere mich nicht, mein Zelt hat sowas naemlich auch nicht, und alles andere - Dusche, Essen, Bett, Unterhaltung - wiegt das tausendmal auf.
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