Frueh am Morgen reisst mich der Wecker aus den Traeumen. Ich bastele mir noch ein Fruehstuecksmuesli aus Elses wunderbarer Mueslimischung, die sie mir mitgegeben hat und die ich bisher vergass zu erwaehnen, und frischen Fruechten. Dann bin ich wieder auf der Strasse.
Der Weg fuehrt mich ueber eine ehemalige Bahnlinie - auch Kanada macht bei Rails-to-Trails mit. Man hat hier sogar ein besonders schoenes Info-Haeuschen aufgestellt, das im Stil der alten Bahnhoefe gehalten ist und wirklich sehr ausfuehrlich informiert.
So erfahre ich, dass es sogar einmal einen Eisenbahntunnel zwischen Port Huron (USA) und Sarnia (Kanada) gegeben hat. Schade, dass der nicht mehr benutzt wird - da haette ich mir die Bruecke sparen koennen.
Die alten Eisenbahnbruecken werden ganz pragmatisch ein wenig verkleinert, und schon hat man eine Radlbruecke.
Leider gibt man sich streckenweise bei der Pflege des Weges nicht so viel Muehe wie beim Info-Haeuschen.
Vielleicht muessten auch einfach mehr Menschen den Weg benutzten? Los, liebe Kanadier, Fahrrad aus der Garage zerren und ab auf's Radl! Aber vielleicht nicht gerade heute, denn es wird zunehmend richtig heiss und vor allem schwuel.
Sehr weit ist die Bahn leider nicht verradwegt worden - schon die Nachbargemeinde hat die alte Trasse stueckweise verkauft. So geht's ueber teilweise ungeteerte einsame Landstrasssen weiter. Auch recht.
Es bleibt uebrigens den ganzen Weg ueber flach - bis nach New York rein wird sich das laut Karte nicht aendern. Die Appalachen sind irgendwo anders.
Nanu? Die Frage ist, wer von uns beiden sich hier gerade mehr wundert.
Hitzepause. Es hat wieder 35 Grad und die schon bekannten 70% Luftfeuchtigkeit. Sogar Stuntzi wird es so warm, dass er seine Maehne absetzt und von Keksen auf Orangenschnitze umsteigt. Und das, obwohl er abstammungsmaessig ja ein Wuestenbewohner ist. Doch, es ist wirklich richtig heiss gerade.
Endlose Weizenfelder gibt es nicht nur im Mittleren Westen, auch hier in Kanada. Ich bin ja auch suedlicher als zum Beispiel Minneapolis, also durchaus auf dem gleichen Breitengrad wie die Kornkammer der USA. Nur halt etwas weiter oestlich.
Wohin fahre ich eigentlich heute? Na, nach:
Vermutlich haben die wenigsten von euch bisher von London, Ontario gehoert - dabei ist das mit ueber 300000 Einwohnern keine ganz kleine Stadt. Eine Universitaet hat sie auch. Und - neben vielen anderen - diese durchaus imposante Kirche...
... und andere, ganz verschiedene, aber nicht weniger imposante Gebaeude.
Die Freilichtbuehne im Stadtpark. Nein, kein Shakespear. Am naechten Tag beginnt ein grosses Sommerfest, das sich ueber mehrere Tage hinziehen wird. Leider bin ich dafuer einen Tag zu frueh dran.
Der Stadtpark heisst - wir sind ja in einem Commenwealth-Land - Victoriapark.
Wir sind hier auf einer kleinen Stadtrundfahrt, die mein Host mit seinen beiden Kindern mit mir macht.
Das ist Pedro, ein aus Kolumbien stammender Zahnarzt, der aber schon zehn Jahre in Kanada ist. Ich bin sein erster Couchsurfing-Gast, und er findet meine Reise (und mich) ganz toll. Ein bisschen beneidet er mich wohl, dass ich einfach so durch die Welt ziehen kann.
Von ihm kriege ich jedenfalls ein komplettes Barbeque vom Grill mit drei verschiedenen Fleischsorten, Mais, Banane, Sossen etc - nur fuer uns zwei und seine Kinder. Toll. Nur bei einer Kleinigkeit muss ich etwas anstupsen - als Kolumbianer scheinen ihm nachts 30 Grad im Haus nichts auszumachen, die Klimaanlage ist aus. Er macht sie aber sofort an, als ich ihn darum bitte.
Das traditionelle Sonnenuntergangsfoto: der Wasserfontaenen-Brunnen am Fluss. Oh, wie der Fluss im kanadischen London heisst? Na, Themse natuerlich. Wenn schon kopieren, dann auch richtig.
Mit eingeschalteter Klimaanlage schlafe ich praechtig. Das Fahrrad lasse ich im Garten stehen, dummerweise mitsamt den Packtaschen. Rechts vorne ist noch eine Banane drin, ein paar Kekse und Elses Mueslimischung. Jetzt allerdings nicht mehr - ueber Nacht hat sich wohl ein Waschbaer die Arbeit gemacht, in die Tasche vorzudringen und alles Essbare rauszuzerren. Erstaunlich, dass er das geschafft hat, denn die Schnallen hat er natuerlich nicht aufgekriegt. Er hat aber auch die Tasche nicht beschaedigt, nur einfach den Rollverschluss trotz Schnallen aufgerollt. Respekt. Aber trotzdem schade um's Muesli.
Und weiter geht's, mein Ziel fuer heute heisst Brantford. Auf dem Weg dorthin begegne ich dieser Blumenwiese.
Da muss ich doch mal die Makrofunktion meiner Kamera ausprobieren. Scheint zu funktionieren.
"Bitte nicht gegen gestreifte Waende fahren"? Komische Verkehrszeichen haben die hier.
Und schon wieder wird's richtig warm, allerdings nicht mehr ganz so schwuel.
"Hey, Buergermeister, wollen wir Ortsfremde verwirren spielen?" - "Au ja, mach mal!". Aber vielleicht waren die Jungs damals beim Benennen der Strassen auch nur etwas phantasielos.
Hier war das? Nein, noch ein gedoppelter Name.
Und noch ein Raetsel des Alltags - Superpatriot, oder braucht der einfach einen Sonnenschutz fuer seine Fenster? Bei einer US-Flagge waere mir die Antwort klar gewesen.
Heute ist auf der Fahrt nicht viel zu sehen, also fotografiere ich munter weiter kuriose Ortsnamen.
Ui. Ich muss zugeben, dass ich dafuer extra einen Umweg gefahren bin, denn ich konnte es mir doch nicht entgehen lassen, sagen zu koennen, dass ich mit dem Fahrrad von London nach ...
... Paris geradelt bin, und das an einem Tag!
Paris, Ontario, ist eine sehr nette kleine, lebendige Stadt ...
... mit einer grosssen Kirche. An Notre Dame kommt sie aber nicht ganz hin. Und der Fluss hier heisst nicht Seine.
Hier in Kanada ist die Schildkroetenrettung offizielle Aufgabe, da muss ich die Tierchen nicht mehr einzeln von der Strasse tragen. Ich hoffe, das Schild hilft was. Aber erstaunlich, wie weit nach Norden wilde Schildkroeten verbreitet sind.
Damit komme ich in Brantford an und uebernachte eher ereignislos in einem Motel - mein potentieller Couchsurfing-Host hat sich tagelang einfach nicht gemeldet. Dann haette er mich auch gar nicht erst anschreiben muessen. Macht aber nichts, so hin und wieder ein Motel ist schon in Ordnung.
Am naechsten Tag geht's dann weiter bis kurz vor die Niagara-Faelle, die ich mir morgen in einem Tagesausflug anschauen will.
Wieder gibt er nur wenig interessantes zu sehen - einen Kollegen von Mort, ...
... einen deutschen Kanzler, dem man einen Buchstaben geklaut hat, ...
... einen Wegweiser zu meinem Ziel, was mich immer freut, ...
... und zwei lustige Nur-Dach-Haeuser, deren Zweck ich nicht ergruenden konnte.
Blick ueber Kanada. So sieht's dort aus: gruen und flach, mit viel Wasser.
Ich komme in Fonthill an - der Name macht dem Ort alle Ehre, auf dem letzten Kilometer muss ich noch fuenfzig Hoehenmeter raufschnaufen.
Mein Host-Ehepaar, Evan und Suzette, sind noch viel fahrradverrueckter als ich. So sieht ihr Wohnzimmer aus:
Waehrend die beiden zu einem Jazzkonzert auf der Buehne im Fluss fahren und von ihren Kanus aus dem Konzert lauschen, mache ich mich auf den Weg zu einer zufaellig gerade im Ort stattfindenden Oldtimer-Show:
Was hat denn der Kaefer da fuer ein Ohr? Ich lasse mich aufklaeren: das ist die nachgeruestete Klimaanlage des kleinen Mannes. Da kommt Wasser rein, das dann verdunstet und dadurch die Luft, die der Fahrtwind reindrueckt, abkuehlt. Das ganze wird einfach in's Fenster geklemmt und angeschlossen. Witzig. Hat sich aber doch zu Recht nicht durchgesetzt.
Und das hier ist zwar kein Oldtimer, aber definitiv das teuerste Auto der Show: ein McLaren von 2012.
Das muss auch als Sonnenuntergangsfoto genuegen.
Morgen geht's auf zu den Wasserfaellen und dann zurueck zu Evan und Suzette, die mich netterweise fuer zwei Tage aufnehmen.
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