Ja, wo isser denn!?

... und hier isser jetzt gerade:

Montag, 16. Juli 2012

Flying Tadzio

Ihr erinnert euch an die drei Segelflieger, die ich in Arozona getroffen habe? Nun, einer davon - Don - wohnt mit seiner Frau Linda in Rome, NY. Genauer gesagt in dem wunderbaren Haus direkt am Lake Delta, das ich euch auch schon im letzten Eintrag gezeigt habe:

Don hatte mich in Arizona eingeladen, ihn in Rome zu besuchen. Und genau das mache ich jetzt.
Als ich ankomme, werde ich erst mal verdonnert, ihm mit der neu gebauten Treppe zum Fluss zu helfen. Ich nehme das mal als so eine Art Test, ob ich nur der bequeme Gast bin, der sein Haus mit einem Hotel verwechselt, oder ob ich auch zupacken kann. Ich packe zu. Waren ja auch nur 74 km bis hierher, ich bin noch fit.

Dafuer gibt's danach ein wunderbares Abendessen, noch etwas Geschichtenerzaehlen - Don und Linda haben vor vielen Jahren mal eine lange Motorradtour durch Europa gemacht - , und dann wird frueh geschlafen. Beide sind uebrigens pensionierte Lehrer und stehen daher zu Zeiten auf, zu denen ich normalerweise schon 40 km geradelt bin. Aber morgen ist Ruhetag, also krieche ich auch erst um acht Uhr aus dem Bett.

Don hat inzwischen sein Segelflugzeug verkauft. Aber er hat durchaus noch was in petto. Wir fahren zum Flugplatz in Rome - eine alte Luftwaffenbasis, die jetzt fuer Wartungsarbeiten an Linienmaschinen genutzt wird. Dieser Jumbo zum Beispiel kriegt gerade einen neuen Anstrich.


Don erzaehlt mir, dass die Farbe nicht aufgesprueht wird, sondern gerollert. Wie eben Du und ich eine Wand weisseln wuerden. Ich bin sehr verwundert.



Tja, und das ist Dons Ueberraschung:



Experten unter euch, die das Flugzeug erkennen? Ist zugegeben etwas schwierig. Es sieht aus wie eine De Havilland Beaver, ist aber ein Bausatz, der eine Beaver ungefaehr im Massstab 1 zu 1,2 nachahmt. Heisst dann Moose, und existiert ungefaehr 130 mal.

Don hat das Ding mit einem Partner in 7000 Stunden Arbeit aufgebaut. Das ist der Motor - ganz klassisch ein neunzylindriger Sternmotor. Auch optisch sehr schoen, finde ich.


Das Instrumentenbrett. Wer gaaanz genau hinschaut, erkennt in der Mitte unten ein Kenwood-Autoradio. Man will ja auch unterhalten werden waehrend des Flugs.


Und ich darf nicht nur gucken - wir fliegen auch! Los geht's, wir sind auf der Startbahn ...


... und in der Luft. Es ist ein schoener, windstiller Tag. Die Wolken verursachen allerdings eine ungleichmaessige Thermik, und so empfinde ich den Flug durchaus als etwas holprig. Don meint aber, das waere ein eher sanfter Flug.


Delta Lake. In der Bildmitte sieht man die Anlegestelle von Don's Haus und sein Freizeitboot. Hat er natuerlich auch - leider reicht die Zeit aber nicht mehr fuer eine Rundfahrt ueber den See.


Don freut sich, weil ich mich so fuer seine Moose begeistere. Ich freue mich, weil so ein Flug fuer mich schon was Tolles ist. Irgendwie schauen wir uns da auch verblueffend aehnlich.


New York State von oben. Ein sehr grosser Teil des Staates ist bewaldet, unterbrochen von endlos vielen kleinen Seen, die nur per Flugzeug zugaenglich sind. Gut, dass der meiste Wald hier unter Naturschutz steht.


Wir landen auf dem Long Lake...


... und sind nicht die einzigen Wasserflieger hier.


Das Flugzeug wird auf den Sandstrand gessetzt und einfach wie ein Boot festgemacht.


Noch ein Kollege, etwas kleiner als die Moose. Ganz schoen was los hier


Das liegt schlicht an dem Restaurant hier am Strand. Manche Leute haben ja so eine Liste, was sie in ihrem Leben gerne machen moechten. Wenn ich so etwas haette, waere "einmal mit dem Flugzeug zum Mittagessen fliegen" wahrscheinlich gar nicht mal drauf, aber genau das machen wir gerade.

Wir bestellen uns ein leichtes Essen, denn Linda will am Abend noch kochen - da komme ich spaeter noch drauf. Danach geht's zurueck zum Flugzeug. Ich mache noch mein typisches Hochglanzprospekt-Titelseitenbild, ...


... und dann geht's im Rueckwaertsgang (!) auf's Wasser hinaus. So ein verstellbarer Propeller ist doch ungeheuer praktisch. Das Gebaeude da ist uebrigens das Restaurant.


Mit viel Gischt heben wir ab und ...



... es geht steil nach oben.


Wir fliegen weiter nach Norden, ueber noch mehr fast unberuehrten Wald.


Derweil finde ich das Typenschild in der Maschine. Von "experimental" und "amateur" darf man sich nicht abschrecken lassen. Und wenn man genau hinsieht, kann man bei "Name" den Namen von Don lesen. Nicht schlecht.


Was koennte das sein?


Aufloesung: es ist eine Bob-Bahn. Aber nicht irgendeine, sondern eine olympische. Wir sind bis nach Lake Placid geflogen, wo 1980 die Olympischen Winterspiele stattgefunden haben.

Das sind die Skiabfahrtsstrecken.


Und das ist der Ort Lake Placid selbst. Haette ich mir erheblich groesser vorgestellt.


Wir fliegen zurueck. Don schaut mich an und meint lapidar "wanna fly?" Erst traue ich mich nicht recht, aergere mich dann aber kurz ueber mich selber und sage ja. Und so fliege ich die Kiste eine knappe halbe Stunde von Lake Placid bis kurz vor Delta Lake. Nach einiger Zeit hatte ich mich dran gewoehnt, aber schwieriger als Radfahren ist es anfangs dann doch.

Noch eine kurze Zwischenlandung auf dem Delta Lake, ...


... einmal Linda am Ufer zuwinken, ...


... und wir starten wieder und fliegen zum Airport zurueck. Dummerweise ist aber jetzt gerade meine Speicherkarte in der Kamera voll.

Am Abend vorher haben Linda und ich uns ueber deutsches Essen unterhalten. Sie hat beschlossen, mir was Gutes kochen zu wollen, und so sind wir bei einem Muenchner Schnitzel gelandet. Dazu braucht man suessen Senf, den es hier aber nicht wirklich gibt. Linda faehrt eine Batterie Senfglaeser auf, und ich verkoste alle. Wir finden was, das ich fuer aehnlich genug schmeckend halte. Horseradish ist hingegen kein Problem hier, und so kriege ich am Abend ein koestliches Muenchner Schnitzel mit Bratkartoffeln und Gurkensalat. Many thanks, Linda, you and Don are truly amazing!

Don sorgt am naechsten Morgen noch fuer ein leichtes Fruehstueck - einen Bagel mit Cream Cheese. Mein frecher Mitfahrer hofft auf einen Keks, aber er hat leider Pech.


Bevor ich mich verabschiede, zeigt Don mir noch die Schaetze einer Scheune. Da steht ein Speedboat, das er sich letzthin geleistet hat, und ...


... ein Auto von 1937, das er irgendwann restaurieren will. Ich glaube, der Mann gefaellt mir.


Eigentlich war ich ja zum Clambait 2012 eingeladen - einem riesigen Muschelessen-Fest, das Don jedes Jahr ausrichtet. Allerdings bin ich dafuer erheblich zu frueh dran - ist vielleicht ganz gut so, denn wer mich kennt, weiss, dass ich keine Muscheln mag.


Und damit mache ich mich auf den Weg Richtung Albany, mit einem Zwischenstopp in der Pfalz.

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