Ja, wo isser denn!?

... und hier isser jetzt gerade:

Freitag, 27. Juli 2012

Tough Mudder (15. Juli)

Das ist ein Bericht ueber den 15. Juli, also einige Zeit bevor ich in New York angekommen bin.

Vor ein paar Tagen hat mich ein Freund kontaktiert, der zufaellig in der Gegend von Albany ist, und gefragt, ob ich mit ihm ein kleines sportliches Event besuchen will. Klar will ich - und so holt er mich abends mit dem Auto ab, wir fahren rueber nach Vermont und suchen uns ein Motel in der Naehe unseres Zielortes, damit wir am naechsten Morgen rechtzeitig dort sind.

"Dort" ist Mount Snow, und das Event stellt sich als der diesjaehrige Tough Mudder heraus, ein Lauf ueber 10 Meilen und 1000 Hoehenmeter mit einem Dutzend fieser Hindernisse, die viel mit engen Roehren, hohen Waenden, Wasser und elektrischem Strom zu tun haben. Ganz so knallhart wie die Website das darstellt ist die Veranstaltung aber nicht - jeder trainierte Mensch kann den Parcour schaffen. Aber das Wort "mud" steckt natuerlich voellig zu recht im Namen drin.

Der Freund, der hier namenlos bleiben will, hat in den letzten Jahren mit dem Laufen angefangen und dabei durchaus auch mal solche Hindernislaeufe gemacht. Jetzt soll's aber mal was groesseres sein - hier starten immerhin am Samstag etwa 10000 und am Sonntag nochmal etwa 2000 Sportler. Also hat er sich ein Ticket besorgt. Ich begleite ihn als Fotograf, im Rahmen meiner bescheidenen Moeglichkeiten.

Die Sportler fangen so langsam an, sich vor dem Eingang zu versammeln.


Das Schlammschlacht-Outfit wird angelegt. Wenn man kein Hemd anhat, kann's auch nicht zerreissen oder unwaschbar verdrecken. Fiese Sachen gehen allerdings dann direkt auf die Haut. Aber ein nasses Hemd schuetzt sowieso nicht sehr gut vor Stromschlaegen.


Die beiden stehen da fast unbeteiligt wirkend herum. Spaeter stellt sich heraus, dass sie zu den Favoriten des Tages gehoeren. Jedenfalls sind sie unter den ersten fuenf, solange ich das verfolgen konnte.


So sahen die meisten Teams aus - jung und muskuloes.



Mein anonymer Freund sticht da doch etwas hervor: er tritt in Bundeswehr-Uniform an. Damit da kein falscher Eindruck entsteht: er ist ein lieber, netter, linker Pazifist. Nur halt mit einer Vorliebe fuer Uniformen.


Der Live-Kommentator staunt jedenfalls nicht schlecht, macht ein paar Witzchen und zollt dann doch Respekt. Die Uniform macht den Parcour natuerlich nicht leichter.


Auf die Plaetze - fertig - LOS! So auf deutsch hat das natuerlich niemand gesagt. Vielmehr wurde patriotisch-sentimental die Nationalhymne gespielt.


Und dann geht's rennenderweise den Berg rauf. Man muss die Leute ja muede kriegen.


Ein paar Minuten spaeter kommen sie auch schon wieder runter. Noch rennen die meisten.


Und wieder eine andere Piste rauf. Hier wird dann doch ueberwiegend Schritttempo bevorzugt. Die Wasserkanone ist uebrigens keines der Hindernisse, sondern eine willkommene Abkuehlung.


Waehrend die Athleten so laufen, schaue ich mir mal die Gegend an. Wir sind hier mitten in einem Skigebiet am Mount Snow. So ein bisschen erinnert mich das an die Alpen.


Aber zurueck zum Wettkampf. Eine der Pruefungen: am Seil ueber einen Teich.


Die meisten probieren die tiefe Haltung, die aber doch sehr in die Arme geht. Ausserdem ...


... sind die Seile so niedrig gespannt, dass man dabei unweigerlich im Wasser landet. Unser Uniformliebhaber benutzt die korrekte Bunderwehr-Methode und kommt damit auch ganz gut vorwaerts, ...



... landet aber letztlich doch im Wasser, wie alle anderen auch. Da sich der Tough Mudder aber nicht als Wettbewerb zwischeneinander, sondern als Herausforderung fuer jeden persoenlich versteht, gibt es auch keine Wertung und daher keine Punktabzuege oder aehnliches, wenn man im Wasser landet. Wichtig ist nur, in's Ziel zu kommen und sein bestes versucht zu haben.



Naechstes Hindernis: durch Schlammwasser robben. Das waere nicht weiter tragisch, wenn es da nicht diese gemeinen Draehte gaebe. Die stehen naemlich unter Spannung, und zwar - wie ich mir habe sagen lassen - deutlich kraeftiger als der normale Viehzaun, den man bei uns so kennt. Wenn man da drankommt, tut das schon weh.



Ah, da isser ja wieder. Das auf dem Helm sind uebrigens zwei Kameras, um die ganze Quaelerei in 3D filmen zu koennen. Und ich glaube, hier haben Helm und Kameras auch ganz gut gegen Stromschlaege geholfen.



Die Berliner Mauer steht jetzt am Mount Snow. Jedenfalls heisst das Hindernis so. Alleine ist das fuer die wenigsten zu schafffen, da braucht man schon eine Raeuberleiter. Und jeder ist auch gerne bereit, seinen Mitstreitern zu helfen. Wie gesagt: kein Wettbewerb.




Unser Mann schafft's ohne fremde Hilfe, benutzt aber die seitliche Abstuetzung als Aufstiegshilfe. Warum auch nicht.


So langsam wird's fies - Erdlochkrabbeln. Hier geht's rein und ...


...zehn Meter weiter wieder raus. Eng ist es da unten sowieso, aber gemeinerweise ist der Ausgang mit Gummilappen zugehaengt. Man sieht also da drin das Ende des Tunnels nicht, es ist komplett dunkel. Menschen mit Klaustrophobie haben hier ein echtes Problem.


Eine kurze Erfrischung und ein paar schnelle Kalorien in Form von Bananen, die ja nicht nur fuer Radfahrer gut sind, und ...


... weiter geht es durch den Matsch. Jetzt verstehe ich auch, warum sich einige der Teilnehmer ihre Schuhe an den Fuessen festgetaped haben.


Reifentanz. Kurz davor steht ein nur scheinbar mitfuehlendes Schild "Are you tired yet?" Tire heisst ja auf englisch auch Reifen.

Oh, und man beachte auch die nicht unbetraechtliche Steigung. Der Weg zur Schneekanone links im Bild ist waagrecht - nur so als Anhaltspunkt.




Wer die Reifen geschafft hat, darf zum Netz.


Das ist wieder eine Gemeinschaftsaufgabe, denn man kommt praktisch nicht drueber, wenn nicht jemand das Netz nach unten hin spannt. Also: drueberklettern, dann ...


... unten hinsetzen und ziehen, bis der naechste kommt und uebernimmt.


Der "Mount Everest". Hier heisst es Anlauf nehmen, soweit hochrennen wie moeglich, und dann hoffen, dass man in Reichweite helfender Arme ist. Und nicht aufgeben, wie die Aufschrift sagt. Manche habe ich hier aber eine Viertelstunde kaempfen sehen, insbesondere gegen Ende des Rennens, als der Anlauf so matschig wurde, dass man unweigerlich mit rutschigen Sohlen an der Wand angekommen ist.


Aber es sind immer viele kraeftige helfende Arme bereit.


Und manche Teams haben auch ganz andere Ansaetze entwickelt. Drueberkommen ist alles - wie, ist egal.


Unser Freund hat die ersten beiden Male etwas Pech, ...



... beim dritten Versuch wird er dann aber mit sehr, sehr  festem Haendedruck empfangen.  

Eine weitere Variation der Aufgabe, durch enge Raeume zu robben: die Roehren. Das gemeine hierbei ist, dass sie erstmal in's Wasser hinabfuehren. Am Ende des ersten Roehrensatzes bleiben zwischen Roehrenoberkante und Wasserspiegel vielleicht noch 20 cm Platz.






Schaut hier mal in die mittlere Roehre rein, da sieht man's ansatzweise.


Fuer den Helm bleibt da kein Platz mehr auf dem Kopf, schon gar nicht mit Kameras. Dann muss man ihn halt vor sich herschieben. Durch die Roehre muss er auf jeden Fall.




Nach all diesen harten Aufgaben freut man sich ja schon ueber weniger fiese Hindernisse, zum Beispiel das Balancieren ueber einen Balken. Der junge Mann hier macht das supercool: er geht drueber wie andere Leute ueber einen fuenf Meter breiten Zebrastreifen.


Manche halten das Gleichgewicht mit ausgestreckten Armen, andere eher gar nicht. Dann wird halt der Rest der Strecke geschwommen.


Nach so vielen Wasserspielen wird's Zeit fuer ein wenig Feuer. Und Rauch. Viel Rauch. Sehr viel Rauch. Das ist ein kurviger Weg, der rechts und links mit brennenden, rauchenden Heuhaufen gesaeumt ist. Sichtweite sehr nahe an Null, atmen sollte man tunlichst unterlassen. Das ganze ist vielleicht zehn Meter lang.

Hier geht's rein ...


... und hier wieder raus.


Zwischendrin ist dann durchaus auch mal Zeit, den crazy German guy in uniform auszufragen und ihm Anerkennung auszusprechen. Den Grund fuer die Uniform kriegen die Leute da, glaube ich, alle nicht mit. Vielleicht interessiert sie das "warum" auch einfach nicht so sehr wie die zusaetzliche Anstrengung, die er sich mit der Uniform da aufgebuerdet hat.


Das allerletzte Hindernis, nur zehn Meter vom Ziel entfernt, ist ein ganz gemeines. Koerperlich anstrengend ist es sicher auch - aber es ist mehr eine psychische Barriere: man muss durch drei Wasserlachen, ueber denen Draehte haengen. Ihr ahnt es schon: auch die sind wieder elektrisch geladen.


Durchrobben klappt nicht, dazu reichen die Draehte zu nahe an den Boden zwischen den Wasserlachen heran.  Man koennte zwar in einer Wasserlache gefahrlos liegen, aber kommt dann halt nicht weiter.

Also: Kopf schuetzen und durchrennen ...


... in dem Wissen, Stromschlaege zu kriegen. Fast so schoen wie die Vorfreude auf einen Zahnarzttermin.

Und die Stromschlaege sind nicht ohne: fast jeder faellt hier hin, und zwar nicht, weil er stolpert, sondern weil der Stromschlag einfach die Nervenimpulse an die Beinmuskeln so stoert, dass sie wegklappen. Dann robbt man bis zur Kante der Wasserlache weiter, holt nochmal tief Luft, springt auf und rennt und hofft, dass man durchkommt.

So wie unser Freund hier gerade. Gratuliere, Mann!


Ja, es ist vorbei. Ich glaube, den allermeisten hat's Spass gemacht.



Fuer einen guten Zweck konnte man sich vor dem Start die Haare zu einem Iro (amerikanisch uebrigens "Mohawk") scheren lassen. Dem hier war das wohl noch zu langweilig - er hat jetzt zwei Gesichter, eines davon das Tough-Mudder-Logo...


... wie es hier auf dem T-Shirt zu sehen ist.



Und nachdem ich mir jetzt die Strecke und die Hindernisse so angesehen habe, und etwas ueber den Wahlspruch "Tough Mudder is not a race, it's a challenge" nachgedacht habe, bedauere ich, dass ich da nicht auch mitgemacht habe. So fit wie jetzt war ich die letzten zehn Jahre nicht, und es waere interessant gewesen, ob ich's bis in's Ziel geschafft haette. Ich glaube eigentlich schon.

Und danke nochmal fuer die Einladung, mein anonymer Freund!

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