Ja, wo isser denn!?

... und hier isser jetzt gerade:

Freitag, 15. Juni 2012

Auf in die Zwillingsstadt (8. - 11. Juni)

So langsam gewoehne ich mich ja wieder an groessere Staedte. So geruestet, mache ich mich auf, zwei Staedte gleichzeitig zu besuchen - Saint Paul und Minneapolis. Das ist einfacher als es klingt, sie sind ja zu einer Agglomeration zusammengewachsen.

Bis dahin sind es aber noch ein paar Tage. Die erste Etappe nach Des Moines ist Iowa Falls - ich fahre relativ spaet am Morgen los, angeschoben von einem sehr freundlichen Rueckenwind von 20 bis 25 Meilen pro Stunde. Das Fahrrad rollt fast von alleine - so muss das sein. Danke an alle, die das bei Petrus fuer mich eingefaedelt haben.

Anscheinend ist dieser Wind hier keine Ausnahme, und dementsprechend wird er auch professionell ausgenutzt.


Solche Windraeder begleiten mich den ganzen Tag ueber, und sie laufen alle recht flott.

Sehr ordentlich in Reih' und Glied aufgestellt. War wahrscheinlich ein deutscher Ingenieur am Werk. Nebenbei koennt ihr erahnen, dass die Huegel inzwischen fast verschwunden sind - wie ein Laken, das jemand glattgezogen hat. Der erste Tag ist deshalb auch schon nach 5:53 gemuetlichen Stunden wieder vorbei - in dieser Zeit habe ich 127 km geschafft, was einen Schnitt von 21,5 km/h ergibt. Und ich koennte glatt noch 50 km weiterfahren, nur ist da dann keine Uebernachtungsmoeglichkeit.

Iowa Falls ist recht unspektakulaer bis auf ein Kino, das mal sehr aufwaendig gebaut wurde ...


... und ein sehr schoenes Restaurant aus den Zwanziger Jahren. Der damalige Bauherr hat keine Kosten und Muehen gescheut und Edelholz und Marmor von ueberall her schaffen lassen. Es ist auch im Inneren wie aussen noch fast unveraendert erhalten. Irgendwie sind mir aber die Fotos davon verloren gegangen, sorry. Und der Service war echt schlecht, aber mangels Konkurrenz wird es wohl auch damit ueberleben. Es war jedenfalls randvoll, und das Essen hat gut geschmeckt.

Als ich dann am naechsten Morgen losfahren will, bricht mir die Halterung meines Telefons. Das ist dumm, denn ich brauche es als Navi, ich habe ja keine Karten dabei.

Da sich das aber schon laenger angekuendigt hat, habe ich vor Tagen schon Superkleber gekauft und auf der Strasse einen Nagel gefunden, der prima als Schiene herhalten kann. Also verschiebe ich meine Abfahrt um eine Stunde und bastele ein wenig in meinem Motelzimmer. Das ist das Ergebnis:


Optisch nicht so wahnsinnig attraktiv, aber stabil. Ich habe keine weiteren Probleme mit dem Ding, bisher jedenfalls.

Und auf geht's nach Mason City. Der Wind heute steht seinem gestrigen Kollegen weder in Richtung noch in Staerke nach, und so sind die Abschnitte, in denen ich direkt nach Norden fahren muss, sehr flowig. Ein paar Meilen muss ich aber auch nach Osten, das macht weniger Spass.

Bei dieser Gelegenheit faehrt zufaellig ein Zug unter mir durch, und bei naeherem Hinsehen wird deutlich, dass Iowa seine Windenergie immer noch weiter ausbaut. Erst kommen einige Waggons mit Windrad-Generatoren, dann ...


 ... folgen die Roehren, die spaeter zu Tuermen zusammengesetzt werden. Auf dem Zug waren bestimmt zwanzig komplette Windraeder.

Aber ich finde auch aeltere Technik - ein sehr idyllisches Anwesen mit einem Dampftraktor.


Bei naehrem Hinsehen entpuppt sich der vermeintliche Oldtimer aber als vor kurzem aus alten Ofenteilen zusammengeschweisstes Spassmobil. Meine Begeisterung flaut recht schnell ab - und wandelt sich in neugieriges Interesse, als ich ein paar Meilen weiter dieses Monster am Strassenrand stehen sehe.


Nein, auf den Titel des weltgroessten Dreirades hat es keine Chance, aber Honda hat da schon was ganz heftiges auf drei Raeder gestellt. Man braucht dafuer aber schnurgerade Highways, auf deutschen Landstrassen macht sowas ueberhaupt keinen Sinn. Ich sehe diese Dinger uebrigens recht haeufig in den letzten Wochen - vielleicht braucht man keinen Motorradfuehrerschein dafuer? Das waere der einzige Grund, der mir einfaellt, warum man sich ein Dreirad statt eines Zweirades kaufen wollen wuerde.

Deutscher Patriotismus in den USA? An dem Haus haengt auch ein Briefkasten, auf dem auf deutsch "Postkasten" steht. Ich klingele einfach mal ganz unschuldig-naiv und neugierig. Der Besitzer ist Amerikaner und spricht kein Wort deutsch. Seine Frau stammt allerdings aus Deutschland, und das war als Grund wohl schon ausreichend. Mehr steckt da nicht dahinter - der unverkrampfte Umgang freut mich.


Frank Lloyd Wright kennt ihr? Den Stararchitekten? Okay, ich gebe zu, dass ich ihn auch nur von dem Simon-and-Garfunkel-Song her kenne. Mason City ueberrascht mich mit einem Haus, das er gebaut hat. Und nicht nur das, ...


... Mason City hat auch das letzte existierende Frank-Lloyd-Wright-Hotel im Angebot. Nun ist Mason City ja nicht wirklich eine Weltstadt, ich bin also entsprechend erstaunt und schaue mir das genauer an.

Sehr interessant. Der linke Teil ist eine Bank, und deshalb sieht er absichtlich etwas massiv-abweisend aus.


Der Hotelteil ist aber sehr schoen, und ich will spontan da uebernachten. Die 100 $ waere es mir wert gewesen, aber leider ist das Hotel ausgebucht.


So schaue ich mich noch ein wenig im Haus um, und setzte mich dann vor ein Cafe in der kleinen, aber netten Fussgaengerzone neben dem Hotel.


Ich komme schnell in's Gespraech mit einem der Live-Musikanten und seiner Freundin, was sich dann noch zu einer groesseren Gruppe ausweitet. Jeder findet meine Tour ganz toll, und einer aus der Gruppe bietet mir an, in seinem Farmhaeuschen zu uebernachten. Das nehme ich natuerlich dankbar an, auch wenn's sechs Meilen ausserhalb der Stadt und weg von meiner Route liegt. So spare ich mir die Motelkosten fuer die Nacht.

Auf der Fahrt zur Farm komme ich noch an einer sehr roten katholischen Kirche vorbei, ...


... und hier ist das Farmhaeuschen. Der Besitzer, John, hat sich leider in dem Cafe an einer Flasche Wein festgetrunken. Nach einer halben Stunde vor der Tuer erreiche ich ihn auf dem Handy, und er verraet mir, wo der Schluessel liegt.
Ich bediene mich vorsichtig - und mit Erlaubnis des Besitzers - aus dem Kuehlschrank und setzte mich vor den Fernseher - Internet und irgendwas anderes interessantes gibt es nicht.


Abends um zehn kommt John nach Hause. Er ist ein gluehender Ron-Paul-Anhaenger, und wir diskutieren amerikanische Politik, ganz vorsichtig. Ich will ja nicht rausgeworfen werden. Am Schluss, denke ich, habe ich ihn ein wenig in's Gruebeln gebracht.

Am naechsten Morgen mache ich mich sehr frueh davon, auch weil John wohl einen Hangover vom Vortag hat und im Bett bleiben will.


Den dritten Tag in Folge habe ich nun kraeftigen Rueckenwind, und so fahre ich durch meinen eigentlichen Zielort einfach durch und mache zwei Etappen an einem Tag.

Unterwegs komme ich durch einen so richtig maennlichen Ort ...


... mit der maennlich-moeglichsten Polizeistation. Ich glaube, das Bild muss ich noch ein paar Freunden von mir mailen, mit nicht so ganz jugendfreien Kommentaren.



Uebrigens gibt es in fast jedem kleinen Kaff einen Casey's General Store - im wesentlichen eine um Lebensmittel und Reisebedarf erweiterte Tankstelle. Ich habe mal beispielhaft irgendeinen fotografiert.

Das praktische daran ist, dass sie Softdrinks direkt aus dem Zapfhahn zum selbstnachfuellen verkaufen - fuer meist 99 Cent kriegt man soviel Cola, Mountain Dew oder - gluecklicherweise - auch Lemonade wie man will. Solange es so heiss ist, halte ich bei fast jedem dieser Stores kurz an.

Und da ist mein Windradzug wieder!


Hier wird er entladen, die Windraeder werden erst mal zwischengelagert und dann irgendwo in der Naehe aufgebaut.

Computerladen, Autowerkstatt - what's next? Na, Schroeder's Funeral Home. Das passende Auto dafuer habe ich ja schon.


Die Amis tun ihre politische Meinung ja sehr gerne durch Schilder am Strassenrand kund. Der hier hat aber ein ganz anderes Thema gewaehlt - Best Buy ist der grossse Elektronik-Discounter in den USA. Offensichtlich fand er den Service dort nicht ganz ueberzeugend


Ich habe uebrigens mein Tablet, ein Asus Transformer, genau dort gekauft, und mittlerweile sowohl das Tablet selbst wie die Dockingstation je einmal umgetauscht. Ging bisher problemlos, weil ich nich in der 30-Tage-Frist nach dem Kauf bin. Ich hoffe, dass die Exemplare, die ich jetzt habe, dauerhafter sind als ihre Vorgaenger, die ich wohl auf dem Fahrrad kaputtgeruettelt habe.

Noch ein Kuriosum an Strassenrand. Das muss mal ein sehr tolles Auto gewesen sein, jetzt dient es nur noch als Blickfang fuer einen Schrotthaendler. Schade.



Ich komme durch einen ganz kleinen Ort mit genau einem Backsteingebaeude, das mir aufgefallen ist. Den Namen des Ortes muss ich aber erst wieder nachschauen.


Und dann komme ich durch Genf. Das andere.


Je weiter ich nach Norden komme, umso mehr aendert sich die Vegetation hin zu mir vertrauten Pflanzen. Das sind die ersten Fichten und (ich wuerde behaupten) Blautannen, die ich sehe. Fast wie zu Hause.


Noch eine Kleinstadt, Owatonna. Das waere uebrigens mein eigentliches Tagesziel gewesen, ich fahre aber einfach weiter, nachdem ich das lokale Kraftwerk aus dem spaeten 19. Jahrhundert fotografiert habe.


Nicht nur die Baeume werden vertraut, auch die Architektur aendert sich hin zu vertrauten zweistoeckigen Reihenhaeusern. Jedenfalls streckenweise. In USA gefaellt mir aber die typische einstoeckige Bauweise besser - sie gehoert einfach zu dem Land.


Ich komme in Faribault an, meinem Ziel fuer heute. Die Doppeletappe war jetzt 150 km lang, und es war wieder ein Sonntagsspaziergang. Der Rueckenwind ist einfach toll.

Tja, und nach Computerladen, Autoreparatur, Beerdigungsinstitut produziere ich anscheinend auch Orangensaft. Stuntzi staunt ob meiner Vielseitigkeit. Ich auch.


Oha. Das haette ich jetzt nicht erwartet:


So sieht jetzt die Landschaft aus. Alles andere als langweilig, finde ich.


Und auch der vertraute Loewenzahn ist vertreten.


Mehr Landschaft. Und Wald.


Und schwere Arbeitsmaschinen. Das besondere an dieser: sie hat zwei Motoren, an jedem Ende einen. Habe ich so noch nie gesehen.


Bienchen und Bluemchen.


Und endlich komme ich am Mississippi an, yeah!


 Das isser!

Und Boote, die entfernte Aehnlichkeit mit historischen Mississippi River Boats haben, gibt es auch frei Haus.

Am Ziel angekommen - mein Cousin hat's anscheinend zu was gebracht. In diesem netten Haeuschen knapp ausserhalb von Saint Paul werde ich die naechste Woche verbringen, bevor es weiter nach Milwaukee geht. Sehr schoen.


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