Nur ein paar Meilen hinter der Stadtgrenze komme ich an einem kleinen Ort vorbei, der wirklich eine Realitaet gewordene Heile-Welt-Werbung ist. Ich glaube, man muss viel Geld bezahlen, wenn man dort wohnen will.
Genau das haben die Besitzer dieser etwas verschachtelten Villa wohl auch getan. Das Gruenwald von Kansas City.
Daran, dass viele alte Autos hinter den Haeusern oder in Scheunen rumstehen, habe ich mich mittlerweile gewoehnt. Aber das hier ueberrascht mich dann doch:
Ein War Bird aus dem zweiten Weltkrieg, einfach so hinter einem Farmgebaeude. Es gibt nichts, was es in Amerika nicht gibt.
Sogar Star Trek ist inzwischen von der Realitaet eingeholt worden - im tiefsten Iowa hat jemand den Warpantrieb erfunden. Jedenfalls steht das auf dem Schild.
Meine Strasse. Schaut schoen und idyllisch aus, und das ist sie auch. Sie ist aber auch ungeteert, was mich deutlich bremst, heiss und gegenwindig.
Und huegelig.
Als ich bei Frau Diaz - Verzeihung, Cameron natuerlich - ankomme, habe ich fuer 117 km volle siebeneinhalb Stunden reine Fahrzeit gebraucht und die Huegel haben sich auf 1396 Hoehenmeter summiert. Das ist die dritthoechste Zahl bisher und mehr als bei den meisten meiner Bergetappen.
Am naechsten Morgen hat der Wind nachgelassen und auf West gedreht. Rueckenwind ist das immer noch nicht, aber auch kein Gegenwind mehr. Auch die Huegel werden ganz allmaehlich flacher. Ich freue mich auf einen leichteren Tag.
Irgendwie wollen hier zu viele Schildkroeten ueber die Strasse. Diese hier erwische ich mitten auf der Fahrbahn. Da hat wohl die Verkehrserziehung der Eltern versagt. Ich bringe sie, wie schon ihre Urgrossmutter vor ein paar Tagen, vorsichtig zur anderen Seite. Stuntzi passt auf, waehrend ich die Kamera hole.
Nach dem Foto ist sie uebrigens mit einer ueberraschenden Geschwindigkeit weggerannt, gluecklicherweise nicht wieder Richtung Strasse.
Langsam glaubt mir ja keiner mehr, dass ich mich die ganze Zeit derart verfahre. Ich verrate euch ein Geheimnis: das ist gar nicht unser Berlin, die Amis haben ein eigenes gegruendet. Die zwoelf Meilen Umweg waeren es mir wert gewesen, wenn es Muenchen gewesen waere. Das gibt's aber nur irgendwo in Utah, wenn ich mich recht erinnere. Also fahre ich weiter.
Hin und wieder werden Autofahrer freundlich daran erinnert, auf Radfahrer Ruecksicht zu nehmen. Diese Schilder sehe ich immer mal wieder, und freue mich darueber.
Die Strasse ist uebrigens ein US-Highway - die Route, die Google fuer mich ausgesucht hat, und die ich auch letzthin hier veroeffentlich habe, bestand nur aus Kieswegen und einer nicht existierenden Bruecke. Deshalb habe ich sie kurzentschlossen geaendert und fahre jetzt auf dem US-Highway 69, der mich bis zur Grenze von Minnesota bringen wird.
Google merkt dazu an, dass dessen Schilder ueberdurchschnittlich oft gestohlen werden. Wer hat genug Phantasie, sich den Grund vorzustellen?
Etwa drei Dutzend alter Chevrolet-Pickups auf einem grossen Grundstueck am Stassenrand. Ersatzteillager? Vermutlich.
Und nicht nur auf Fahrraeder sollten Autofahrer aufpassen, sondern auch auf Kutschen. Warum ausgerechnet hier? In Iowa - wo ich inzwischen bin - und speziell in der Gegend um Lamoni, mein heutiges Tagesziel, haben sich seit einiger Zeit viele Amish angesiedelt. Das ist eine Religionsgruppe, die bewusst im 19. Jahrhundert stehen geblieben ist und daher auch keine Autos benutzt. Sogar Strom aus der Steckdose ist verboten.
Mir begegnen auch einige Amish-Kutschen, aber ich faende es ungehoerig, sie einfach so zu fotografieren.
Die Amish fuehlen sich anscheinend davon angezogen, das Lamoni ein ungeheuer fundamentalchristlicher Ort ist. Er ist die Heimatstadt der "Community of Christ", einer Abspaltung der Adventisten. Die "Graceland University" befindet sich ebenfalls hier - sie gehoert der Community of Christ. Lamoni bruestet sich, zu den 100 besten Gemeinden der USA fuer Jugendliche zu gehoeren, aber irgendwie habe ich das Gefuehl, dass ich den Auswahlkriterien nicht ganz zustimmen wuerde.
Wenn aber jemand sagt, dass die Landschaft hier zwar unaufregend, aber trotzdem schoen ist, dann kann ich voll und ganz zustimmen. Erinnert mich durchaus an Gegenden in Bayern.
Ich bin ja gewarnt worden, dass der Mittlere Westen nur aus endlosen Mais- und Weizenfeldern besteht und ich mich sehr langweilen wuerde. Das ist aber nicht der Fall. Die Landwirtschaft ist hier durchaus kleinteilig, und die Felder sind immer wieder unterbrochen durch Wiesen, kleine Creeks, Tuempel und Baumgruppen.
In Lamoni miete ich ein Zimmer, das sich als das bisher groesste meiner Reise herausstellt. Endlich mal richtig Platz fuer's Fahrrad, das ja jden Abend mit in's Zimmer darf, damit es nicht nachts neue Freunde findet und mich verlaesst.
Das gruene am unteren Bildrand ist ein Liegesessel mit Fussstuetze. Ich bin begeistert.
Abendessen gibt's im einzigen Restaurant von Lamoni - einem Amish-Bedarf-Laden angegliedert. Dafuer ist es ueberraschend fastfoodig und schlecht. Naja. Ich schlafe trotzdem gut.
Am naechsten Tag geht es weiter bis Osceola, dann bis Des Moines. Die beiden Tage sind nicht besonders aufregend - bis Osceola sind's nicht mal 60 km, weiter bis Des Moines gerade mal 90. Ich ueberlege, ob ich das an einem Tag machen soll, aber es huegelt noch immer, und der Wind ist auch noch nicht das Gelbe vom Ei, so dass ich mich dagegen eintscheide. Nur hier im Blog werfe ich sie einfach mal zusammen.
Das da duerfte uebrigens ein Rekord sein: die groessten Dreiraeder der Welt. Ich habe jedenfalls noch keine groesseren gesehen. Die Einstiegsleiter und das Lenkrad vermitteln vielleicht einen Eindruck der Groesse. Ich bin angemessen beeindruckt und begeistert.
Leon ist eine kleine Stadt in Iowa mit durchaus Selbstbewusstsein: wenn Hollywood Buchstaben in die Landschaft stellen kann, koennen wir das auch. Ausserdem fahren die Autos dann nicht staendig geradeaus weiter in den Graben, sondern erkennen die Kreuzung viel besser.
Der Sitz des County Court. Fuer so eine kleine Stadt ganz schoen gross.
Und mein Freund, der Smart, ist auch wieder da. Den habe ich schon in Lamoni gesehen und auf der Fahrt nach Leon. Jetzt treffen wir uns zum dritten Mal. Smarts sind ja eigentlich eher Stadtautos, und Staedte sind in Iowa duenn gesaet. Daher gibt es sehr, sehr wenig Smarts hier. Einen, um genau zu sein. Den hier.
Und das hier ist die Hauptstrasse von Leon. Einfach eine typische mittelwestliche Kleinstadt. Damit ihr das auch mal gesehen habt.
Die naechste Etappe bringt mich dann nach Des Moines.
Schön das du gut voran kommst - aber schade, dass dir der Abstecher zu mir nach Berlin zu weit war :)
AntwortenLöschenkeep posting!
a. aus b.!