Ja, wo isser denn!?

... und hier isser jetzt gerade:

Dienstag, 15. Mai 2012

Auf in's neue Mexiko (9. und 10. Mai)

Mit immer noch etwas gemischten Gefuehlen fahre ich morgens los. Der Verkehr hat im Vergleich zu gestern aber deutlich nachgelassen, Trucks sind fast gar nicht unterwegs. Und die Strasse hat wieder fast durchgehend einen Randstreifen. Langsam finde ich die Freude an der Fahrt wieder.

Landschaft und Wolken versuchen auch heute wieder erfolgreich, mich zu beeindrucken - die Wolken allerdings noch etwas zaghaft.


Zwischendurch bilde ich mich ein wenig weiter. Solche Informationshaeppchen finde ich etwa drei-, viermal am Tag. Merken kann ich mir das alles aber nicht. Da muss am Abend dann doch die Wikipedia herhalten.


Die Landschaft ist aehnlich gefaerbt wie gestern, die Baeume sind allerdings wieder weg. Sieht fast wie Wueste aus. Das Wetter arbeitet schon fleissig an der Herstellung groesserer Wolken...


Tja, und dann zeigt sich, dass meine geneigte Leserschaft nicht genug Daumen gedrueckt hat - eine Speiche am Hinterrad reisst.


Im Vertrauen auf die Qualitaet meines Radls (ist ja nicht gerade aus dem Baumarkt) habe ich weder Ersatzspeichen noch das noetige Werkzeug dabei. Mehr als die kaputte Speiche rausdrehen kann ich nicht machen.


Und so fahre ich mit 35 Speichen im Hinterrad weiter. Das sind immer noch drei mehr als ein billiges Durchschnittsfahrrad hat. Die Felge ist zum Glueck so stabil, dass sie nur einen leichten Seitenschlag entwickelt, der nicht einmal die Bremse zum Schleifen bringt. Kritisch wuerde es nur, wenn eine der ja jetzt staerker belasteten Nachbarspeichen auch noch den Geist aufgaebe. Da sowas immer im unguenstigsten Moment passiert - zum Beispiel, wenn man bergab mit 50 km/h durch ein Schlagloch faehrt -, erlege ich mir selber eine Geschwindigkeitsbeschraenkung auf 30 km/h auf, und weiche allen Schlagloechern besonders sorgfaeltig aus.

Und so komme ich dann in New Mexico an. Anderswo warnt man vor Elchen, hier scheinen wilde Schneepfluege zu leben. Aber sie halten wohl gerade Sommerschlaf.


Schon an der Grenze zwischen Kalifornien und Arizona habe ich uebrigens die Zeitzone gewechselt, von Pacific Time nach Mountain Time. Da aber Kalifornien Sommerzeit hat, Arizona aber ueberwiegend nicht (nur in den Indianerreservaten, sehr irritierend), hat sich die Uhrzeit nicht geaendert. New Mexico allerdings hat wieder Sommerzeit, und deshalb seid ihr, liebe Europaeer, mir jetzt nur noch acht Stunden voraus und nicht mehr neun.

Sehr viel anders als Arizona sieht New Mexico eigentlich nicht aus.


Ob der kaputten Speiche ueberlege ich kurz, den fahrbaren Untersatz zu wechseln, ...


... aber kaum sitze ich drauf, metamorphiere ich. Harley-Fahrer muessen so aussehen, das geht nicht anders!


Nein, das will ich dann doch nicht. Ich bleibe bei meinem 35-speichigen Rad.Ausserdem, erfahre ich, hat man auf einer Harley einfach nicht genug Bewegung, um den Kreislauf in Schwung zu halten - der Biker beschwert sich bitterlich ueber die Kaelte und den Wind. Ich finde die 18 Grad sehr angenehm. :)

Nach einer kurzen Brotzeit ...


... geht's weiter Richtung Quemado. Die Wolken werden mehr...


... und dunkler.


Und es faengt tatsaechlich an zu regnen. Stuntzi mag Naesse nicht.

Der Regen ist - fuer heute - aber nach zehn Minuten wieder ausgestanden.


Ich komme in Quemado an und nehme mir ein Zimmer im besten Haus am Platze.


Uebrigens auch dem einzigen Haus am Platze. Im zugehoerigen Restaurant, dessen Speisekarte aus Variationen von Burger, Sandwich und Pies besteht, treffe ich auf Eddie. Er ist unterwegs von San Diego nach Boston - zu Fuss. Aktuell hat er das Problem, ein Gewehr loszuwerden, das er gerade von einem Cowboy geschenkt bekommen hat, der nicht verstehen konnte, wie man durch New Mexico ohne Schusswaffe laufen kann.

Eddie startet am naechsten Tag, der mich bis nach Datil fuehren soll,  zwei Stunden vor mir, und so hole ich ihn bald auf der Strasse ein.


Bis mindestens Kansas haben wir den gleichen Weg, und er hat eine sehr nuetzliche Karte des Santa Fe Trail bis dorthin. Sicherheitshalber mache ich mir gleich ein Foto - meine Route ist im Detail momentan nur bis nach Albuquerque durchgeplant.


Am Vorabend, in Quemoda, habe ich den Besitzer eines Ladens getroffen, der kurz vor Pie Town liegt und "Top of the World" heisst. Ist ein wenig uebertrieben, denn schon Pie Town liegt deutlich hoeher und ist nur zwei Meilen entfernt.
In dem Laden gibt's wirklich alles, von Lebensmitteln ueber indianische Kunst bis zu landwirtschaftlichen Geraeten und DVDs. Ein kleines Restaurant ist auch dabei, und ich lasse mir zwei Apple Pie schmecken.


Und immer wieder Landschaft und Wolken, die mich begeistern.


Das ist nun Pie Town - die paar Haeuser auf der Seite. Hinter dem Huegel kommen etwa noch einmal so viele dazu. Ein Schild habe ich nicht gesehen, aber hier - bis auf ein, zwei Meilen genau - ist die Continental Divide, die Hauptwasserscheide. Wenn ich mich ab hier oestlich in einem Fluss treiben lassen wuerde, wuerde ich im Golf von Mexiko landen, nicht mehr im Pazifik.


Bedrohliche Wolken verfolgen mich schon wieder, wie gestern. Das ist hier so: vormittags ist das Wetter immer schoen, wenn's regnet, dann nachmittags.


Voraus ist der Himmel noch blauer.




Ich bin wieder in einem Nationalpark.


... und diese Schilder sehe ich auch oefters. D.W.I habe ich mir erklaeren lassen muessen - heisst auf deutsch "Fahren unter Alkoholeinfluss". Ich kannte dafuer bisher nur die Abkuerzung D.U.I., ist aber das gleiche. Ob das Fledermauscape wirklich so recht abschreckend wirkt?


So, und das ist nun tatsaechlich der hoechste Punkt meiner Reise - 2493 Meter ueber dem Meer. Ab jetzt geht's bergab, allerdings immer mal wieder durch Zwischenanstiege unterbrochen.





Die Wolken ballen sich wieder bedrohlich, und ...


... als ich genau hinschaue, erkenne ich sogar das Marshmallow-Ghostbusters-Monster, das mich hier bedroht. Seht ihr die beiden Augen (hellen Punkte), den Kopf oben und die Knubbelfuesse unten?


Ich komme trocken in Datil an, das wirklich nur aus einer Tankstelle/Restaurant/Motel und einer Poststation an der Kreuzung zweier Highways besteht. Der Sonnenuntergang ist spektakulaer.




Das Motel am naechsten Morgen. Ob es mal als Baracke fuer Bauarbeiter konzipiert war?


Die Zimmer haben jedenfalls den Charme eines Tornado-Schutzraums. Und genauso kleine Fenster. 50 US$ sind jedenfalls nicht wirklich gerechtfertigt. Aber wenn man das einzige Motel im Umkreis von 50 Meilen ist...


Geschlafen habe ich aber trotzdem gut. Morgen macht sich 35-Speichen-Tadzio auf den Weg nach Socorro.

1 Kommentar:

  1. Hey Dani,
    ich bin echt sehr froh, dass dich der Truck nicht erwischt hat! Noch schlimmer wärs allerdings gewesen, wenns ein aus dem Sommerschlaf geweckter ungnädiger Schneepflug gewesen wäre, wie soll man das denn dann zuhause erklären.... Ich hoffe jedenfalls, dass du dir deine Laune nicht längerfristig hast verderben lassen, entweder er hat dich wirklich nicht gesehen, er wusste nicht, was ein Fahrradfahrer überhaupt ist oder er war eben einfach ein Idiot.
    Wir geht das denn jetzt so speichenreduziert weiter? Kann man die da irgendwo kaufen oder macht das nix? Und was macht eigentlich der Knöchel?
    Über Pie Town hab ich gelesen, dass es dort und nur dort die weltbesten Pies gibt. Sonst wohl allerdings so gut wie gar nichts....
    Übrigens siehst du echt ganz schön trainiert aus, beeindruckende Wadln hast du inzwischen :-)!
    Tolle Wolkenbilder übrigens, davon gibts ja anscheinend fast soviele wie Kakteen...!
    Also- möge die Kette immer rechts sein und die Trucks links, mit mindestens 2 Meter Abstand!
    Hier ists übrigens gerade wieder Winter, 3° heute morgen.
    Machs gut, bis bald, liebe Grüße
    Julia

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